Materialversorgung aus Potsdamer Sago-Lager war für DDR-Grenzsystem unerlässlich
Waffen. Autoteile. Baustoffe. Medizintechnik und Medikamente. Nahrungsmittel, Bekleidung. Insgesamt 17 000 Tonnen Güter. Auf dem Potsdamer Sago-Gelände wurde nach dem Bau der Mauer alles vorgehalten, was zum Funktionieren der des „antifaschistischen Schutzwalls“ notwendig war. 66 Hektar Fläche umfasste das zentrale Materiallager der Grenztruppen. Auf diesen Teil der Potsdamer Militär-Geschichte ging jetzt Dr. Axel Klausmeier, Direktor der Gedenkstätte Berliner Mauer, in einem Vortrag der Begleitreihe zu Peter Rohns Fotoausstellung „Mauerblicke“ ein.
Die Geschichte des Sago-Lagers, benannt nach den südlich und nördlich der neuen Brücke gelegenen Bahnhöfen Saarmund und Golm, begann noch mit Zivilisten: 1956 hatten Eisenbahnbauer einen Damm und eine Brücke über den Templiner See errichtet und damit den Berliner Außenring geschlossen. Ihre Wohnbaracken und Lagerhallen an der Michendorfer Chaussee übernahm die DDR-Volksarmee, sie gab das Areal später an die Grenztruppen weiter. Und die benötigten ein Lager.
Denn vieles galt es für die Grenzsicherung aufzubewahren: Beispielsweise „Politmaterial“ zur ideologischen Beeinflussung der Soldaten und Unkraut-Ex, das in einer Außenstelle Am Schragen gelagert war. Es verhinderte Pflanzenwuchs auf den Grenzstreifen und sicherte den Wachen bei Fluchtversuchen freies Schussfeld. Die verschiedenen Warengruppen wurden in Hallen gelagert, die auf dem Gesamtgelände nochmals durch Zaunkarrees gesichert und nur den unmittelbar im Bereich Beschäftigten zugänglich waren.
Die Baracken boten miserable Arbeits- und Wohnbedingungen. Die Dächer der hölzernen Anfangsbauten waren undicht, die später errichteten Steingebäude wurden von unten durch aufsteigende Nässe durchfeuchtet. Für die Grundsanierung verpulverte die Bauverwaltung der Armee im Jahr 1976 rund 6,7 Millionen Ost-Mark, 1986 nochmals 1,8 Millionen. Inzwischen hatte in Neuseddin der hochmoderne Ersatzbau für das zentrale Materiallager der Grenztruppen eröffnet, dessen 17820 Palettenplätze zu je einer Tonne Tragkraft heute von der Bundeswehr nachgenutzt werden. Das Sago-Gelände wartet nach mehreren gescheiterten Versuchen, so der gescheiterten Ansiedlung der Biologischen Bundesanstalt, weiter auf eine neue Nutzung.
Am Beispiel des Lagers verdeutlichte Axel Klausmeier, welch irrsinnig hohen Aufwand das SED-Regime 28 Jahre lang zur Grenzsicherung betrieb. 155 Kilometer Grenze um Westberlin wurden von 13 000 Soldaten rund um die Uhr bewacht. Sie dienten in sechs Regimentern, so dem Potsdamer Grenzregiment „Walter Junker“, dessen Gelände an der Steinstraße heute weitgehend vom Finanzministerium genutzt wird. Hinzu kamen zwei Ausbildungsregimenter, ein Sicherungsregiment, Geschosswerfer- und Nachrichteneinheiten. 80 Standorte, die 6,8 Prozent der heutigen Landesfläche einnahmen, besaß das Grenzkommando Mitte in Brandenburg.
Das menschenfeindliche Grenzsystem der DDR stellte aber nicht allein eine schwere Belastung für die Bevölkerung dar, erklärte Klausmeier. Es führte auch zu beträchtlichen Landschaftsveränderungen. Ein Beispiel dafür sind die Potsdamer Welterbeparks. So nisteten sich die Grenztruppen in Sacrow ein und zerstörten die auf Lenné zurückgehende Parkgestaltung fast völlig – einschließlich der Einrichtung eines Übungsgeländes für Grenzhunde. Davon ist heute nichts mehr zu sehen, wie auch von den einstigen Grenzanlagen nur geringe Reste übrig geblieben sind. Das sei so in Ordnung, sagte Axel Klausmeier, es müsse nicht, „jedes Stück Schrott“ der Grenzanlagen erhalten und unter Denkmalschutz gestellt werden. Als notwendig erachte er dies jedoch für wichtige Zeugnisse der „Mauerzeit“ – nur so könne der jüngeren Generation dieses Kapitel der Zeitgeschichte begreiflich gemacht werden. In Potsdam betreffe dies etwa die Mauerreste und den Wachturm an der Bertinistraße.
Quelle: PNN – E. Hohenstein