Im Jahr 2004 fand die Ausstellung zum 50-jährigen Bestehen des Wilhelmshorster Volkskunstzirkels statt

20.04.2004/PNN – Wilhelmshorst – Schützenvereine existieren seit Jahrhunderten über alle Umbrüche hinweg – den Wilhelmshorster Zirkel für bildnerisches Volkskunstschaffen gibt es „erst“ seit 50 Jahren. Mit Überwindung gravierender Hürden hat er allerdings den Grundstein für ein ebenso langes Leben gelegt. Die Gratulanten zur Jubiläumsausstellung wünschten den Mitgliedern samt seiner 86-jährigen Leiterin Irmela Grasnick weiter viel künstlerische Schaffenskraft.

Wie alles begann

1954 trafen sich einige Wilhelmshorster Frauen, denen die herkömmliche Beschäftigung mit Handarbeit nicht genügte. Nach dem Vorbild einer Berliner Gruppe, die die Wiederbelebung der Volkskunst in der DDR geschickt nutzte, gründete sich in Wilhelmshorst der Zirkel für bildnerisches Volkskunstschaffen. Zunächst gab es staatliche Unterstützung und künstlerische Anleitung durch die Fahrländer Künstlerin Ingeborg Fiegert. Deren qualitativer Anspruch wurde so fest installiert, dass er bis in die Gegenwart gehalten werden konnte. Zudem manifestierte sich ein bemerkenswerter Kollektivgeist, der nicht nur für die vielfältigen Arbeiten notwendig, sondern für den Zirkel selbst Lebens- und Überlebenshilfe war. Denn nach zehn Jahren gab es die erste Zäsur, als die staatliche Förderung wegfiel. Seitdem übernahm die damalige Organisationschefin Grasnick auch die künstlerische Leitung.

Ausdauer und Gemeinsinn

Die nächste Hürde galt es erst zur Wende zu nehmen, als viele ähnliche Arbeitsgemeinschaften aufgeben mussten. „Die Gemeinde hat uns in all den Jahren ständig in unserer Arbeit unterstützt“, resümierte Irmela Grasnick. Tatsächlich hatte der Zirkel stets den für seine Arbeit nötigen Freiraum durch die wechselnden Gemeinderäte erhalten: vom einstigen Klubhaus am Föhrenhang, wo ein Webstuhl aufgestellt war, über den Rat der Gemeinde An den Bergen – da hatte der Zirkel zwei Zimmer – bis zum heutigen Haus der Begegnung in der Schweitzerstraße, wo der Zirkel einen schönen Raum monatlich nutzt und Arbeitsmaterialien untergebracht hat.

Unterstützung

Ortsbürgermeister Gerd Sommerlatte bedankte sich für die jahrelange Arbeit, die das Ansehen Wilhelmshorsts gestaltet hat. Viele der Arbeiten sind bei Jubiläen und Besuchen ins Ausland gelangt, wie der Wandbehang „Den Frauen von Lidice“. Zu einer Gedenkfeier an das deutsche Massaker, bei dem alle Männer lebendig verbrannt und Frauen und Kinder ins KZ kamen, half das Kunstwerk, etwas vom geänderten Geist in Deutschland zu verkünden. Der Ortsteil will weiter die Arbeit des Zirkels unterstützen. Sommerlatte regte eine Verbindung zum ganztägigen Bildungsangebot der Wilhelmshorster Schule an.

Ausstellung

Die leider nur auf das vorige Wochenende befristete Ausstellung zeigte einen Querschnitt über das breite Schaffen der Jahre, so auch in dem ad hoc erarbeiteten Wandbehang „50 Jahre Zirkelarbeit“, der collagenhaft einige der ausgeübten textilen Techniken vorstellte. Ein beeindruckendes Frühwerk des Zirkels, „Der kaukasische Kreidekreis“, konnte als Leihgabe aus dem Fundus des Potsdam-Museums ausgestellt werden. Weit über 100 Exponate in vielen textilen Arbeiten, aber auch in Emaille-, Ton-, Makramee-, Druck- und Collagetechnik, erfreuten die zahlreichen Besucher. Ein Volltreffer für Wilhelmshorst.

Acht Tage nach dem Wilhelmshorster wurde auch in Potsdam ein Volkskunstzirkel gegründet, der als „Fachverband Textilunterricht“ überlebt hat. Er feiert am 22. Oktober um 15 Uhr im Alten Rathaus bei einer Vernissage sein Jubiläum.

Erschienenen am 20. April 2004 in der PNN – Autor: Klaus-P. Anders