Um diese in den vergangenen Ausgaben des Märkischen Bogens gestellte Frage zu klären, soll hier ein Aspekt der Geschichte des Potsdamer Nahverkehrs, der in direktem Bezug zu unserer Region steht, näher betrachtet werden.
Erste Planungen
Zu Beginn der 1920er Jahre begannen Planungen für ein neues Wohngebiet „Wald-Potsdam“ am Potsdamer Brauhausberg, das sich über 360 ha von der Straße Am Havelblick bis hin zur Michendorfer Chaussee erstrecken sollte. Die dafür nötigen Eingemeindungen erfolgten auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung bereits 1925.
Zur Erschließung der geplanten Wohnsiedlung für 29.000 Einwohner und zur Entlastung der Leipziger Straße ist in dem bergigen Terrain am Fuße des Brauhausbergs von 1926 bis 1927 die Straße Brauhausberg angelegt worden.
Grundsteinlegung für das Bauprojekt
Potsdams Oberbürgermeister Arno Rauscher legte 1927 den Grundstein für das große Bauprojekt. Der im Folgejahr beginnende wirtschaftliche Abschwung brachte das Projekt „Wald-Potsdam“ zum Erliegen. Nur Grundstücke um den Finkenweg standen zum Verkauf. An der Brücke zur 1902 errichteten Kriegsschule findet sich die hoffnungsfrohe Inschrift: „Der Bau dieser Brücke eröffnete im Jahr 1928 die Erschließung des Stadtteils Waldpotsdam“.
Im selben Jahr startete der Bau einer Straßenbahntrasse vom Leipziger Dreieck zum Neuen Schützenhaus an der Michendorfer Chaussee, dem heutigen Telekomgelände. Ursprünglich war geplant, die Trasse weiter nach Caputh zu führen. Streitigkeiten über den Trassenverlauf in Caputh verzögerten das gesamte Bauprojekt jedoch um ein Jahr.
Neue Straßenbahnlinie
Am 30. Juni 1930 war die offizielle Eröffnungsfahrt der neuen Straßenbahnlinie 5, die nun vom Wilhelmplatz zum vor wenigen Tagen eröffneten Neuen Schützenhaus führte. Da es keine Einigung zwischen den beiden Kommunen über den Trassenverlauf gab, wurden die bereits laufenden Arbeiten für eine Verlängerung der Linie nach Caputh für immer eingestellt.
Niedergang und Ende
Zwischen 1933 und 1936 wurden die Planungen für einen Weiterbau der Siedlung „Wald-Potsdam“ erneut aufgenommen, jedoch bald darauf wieder verworfen. Bereits 1937 musste das vom Potsdamer Architekten Heinrich Laurenz Dietz entworfene und völlig überdimensionierte Schützenhaus schließen.
Die Linie 5 war folglich die unrentabelste Straßenbahnlinie Potsdams. Bereits 1940 erfolgte ein eingleisiger Rückbau der Anlage. Ab 1944 fuhr die Bahn nur noch mittwochs und samstags in den Vormittagsstunden, bis ihr Betrieb im Januar 1945 endgültig eingestellt wurde.
Nach Kriegsende, im Mai 1945, begann zur Reparatur anderer Strecken in der Stadt der Abbau der restlichen Gleise.
Der Verlauf der ehemaligen – bis heute freigehaltenen – Straßenbahntrasse ist noch sichtbar. Der breite Grünstreifen an der Straße Brauhausberg sowie die unbebaute Fläche entlang der Kleingartensparte Sternschanze an der Michendorfer Chaussee zeugen von vergangener Straßenbahngeschichte.
Reste des bereits aufgeschütteten und unvollendet gebliebenen Straßenbahndamms in Richtung Caputh können aufmerksame Wanderer im Wald entdecken.
Hinweise für eine geplante Streckenführung nach oder über Michendorf konnten – zumindest bisher – in den Archiven nicht nachgewiesen werden. Auch zeigen die Reste des Trassenbaus keinen Streckenverlauf in Richtung Michendorf.
Ausblick
Sollte in ferner Zukunft die Idee einer Straßenbahnverbindung von Potsdam nach Michendorf aktuell werden, geht man davon aus, dass statt eines Neubaus die vorhandenen Bahngleise vom Bahnhof Pirschheide nach Michendorf von Bahn und Straßenbahn gemeinsam genutzt werden können.
Volker Tanner [Kontakt], Wilhelmshorst
Veröffentlicht im Märkischer Bogen , Juni 2021
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