Vor 75 Jahren wurde das Wilhelmshorster Gotteshaus eingeweiht – die Christen im Ort mussten lange darum kämpfen.

Andernorts sind die Kirchen der weithin sichtbare Blickfang. Wer die Wilhelmshorster Kirche sucht, muss indes genauer hinschauen. Es scheint, als hätten die Erbauer sie verstecken wollen. Abseits liegt sie – am Wegesrand der Peter-Huchel-Chaussee. Geplant war das freilich anders, wie eine Ausstellung der „Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Ortsgeschichte“ zeigt, die am Sonntag im Gemeindezentrum eröffnet wird. Anlass ist ein Jubiläum: Die Kirche wurde vor 75 Jahren erbaut – am falschen Platz.

Es gibt sie immerhin, denn auch das war nicht gewiss in einer Zeit, in der Nazis das Sagen hatten und Kirchenneubauten unerwünscht waren. Dass eine Kirche ins Dorf gehört, wusste schon Ortsgründer Wilhelm Mühler, der 1907 Parzellierungspläne für die Landhaus-Kolonie Wilhelmshorst vorlegte. Mitten in der Siedlung plante Mühler ein sechseckiges Areal – den Kirchplatz, der heute Goetheplatz heißt und der zentrale Standort fürs Gotteshaus sein sollte.

Es ließ aber auf sich warten, obwohl die Bewohner des wachsenden Ortes in den 1920er Jahren auf den Bau einer eigenen Kirche drängten. Doch es waren schwierige Zeiten, geprägt von Weltwirtschaftskrise und Inflation, die auch Geld des Kirchbaufonds in wertloses Papier verwandelten. Ab 1933 legten die Nazis Kirchenneubauten Steine in den Weg, weiß Rainer Paetau, Vorsitzender des Ortsgeschichtsvereins. „Um ihren entschlossenen Willen zu demonstrieren, erwarben die Wilhelmshorster Christen 1934 vorab eine 260 Kilogramm schwere Bronzeglocke.“ Was aber macht man mit einer Glocke, wenn man keine Kirche hat? Die Bewohner der Waldgemeinde hängten die Glocke zwischen zwei Kiefernstämme. Das Baum-Areal am Heidereuterweg war seinerzeit dann auch der Platz für die Gottesdienste.

Den Plan, die Kirche am zentralen Standort an der örtlichen Nord-Süd-Magistrale zu bauen, vereitelten die Nazis. Sie wollten die exponierte Stelle für eigene Zwecke nutzen und spielten laut Paetau mit dem Gedanken, dort ein „Adolf-Hitler-Haus“ zu errichten. „Schließlich gestatteten sie den Bau einer bescheidenen Kirche rund 100 Meter südlich des heutigen Goetheplatzes, wo ursprünglich das Pfarrhaus vorgesehen war.“ Die Predigt zur Kirchweihe eröffnete Pfarrer Bruno Haese am 23. Mai 1937 mit den Worten: „Ein Dorf ohne Kirche ist wie ein Mensch ohne Seele.“

Ausstellungseröffnung ist am 13. Mai, 16 Uhr, im Wilhelmshorster Gemeindezentrum. In der Kirche findet am 17. Mai, 11 Uhr, eine Andacht von Pfarrer Philip Kiril Prinz von Preußen statt. Kunsthistoriker Thomas Drachenberg referiert über den Kirchbau und dessen Architekten Winfried Wendland.

Quelle: MAZ – Autor: Jens Steglich