Der Kulturhistoriker und ausgewiesene Köppen-Experte Dr. Wilhelm Ziehr aus Wilhelmshorst möchte auf eine weit verbreitete und immer wieder kolportierte Aussage zu Edlef Köppens Buch „Heeresbericht“ hinweisen.
In Beiträgen im Tagesspiegel, auf Deutschlandfunk Kultur, Wikipedia und vielen anderen Medien wird davon ausgegangen, das Köppens „Heeresbericht“ zu den von den Nazis verbrannten Büchern gehörte.
Wilhelm Ziehr: „Anlässlich der neunzigjährigen Wiederkehr der schändlichen Bücherverbrennung, organisiert von der nationalsozialistischen studentischen Jugend in Berlin, fällt auch immer wieder der Name Edlef Köppens, doch sein Roman „Heeresbericht“ wurde nicht verbrannt.[1][2]
Köppen verblieb auch in der am 1. November 1933 gegründeten Reichsschrifttumskammer. 1934 erfolgte sogar eine 2. Auflage des „Heeresberichts“ durch den List Verlag in Leipzig, der die Rechte daran mit samt dem Horen Verlag (Berlin-Grunewald) erworben hatte.
Diese Auflage wurde erst in Folge, nachdem bereits Bücher verkauft werden konnten, durch den Polizeipräsidenten von Leipzig verboten, und so gelangte das Werk auf die 1938 zusammengestellte „Liste des unerwünschten und schädlichen Schrifttums“.
Noch 1939 konnte eine 2. Auflage von Köppens „Hausbuch“ bei dem Drei Masken Verlag, Berlin, erfolgen, was unmöglich gewesen wäre, wenn ein Buch von ihm öffentlich verbrannt worden wäre. Es gibt auch keinen direkten oder indirekten Hinweis für eine Bücherverbrennung eines Werkes von Köppen in den Materialien des digital zusammengeschlossenen Gesamtarchivs von Edlef Köppen in der Stadt- und Kreisbibliothek „Edlef Köppen“ in Genthin.“
[1] Der Irrtum geht zurück auf eine Darstellung der Biographie von Köppen in Kindlers Literaturlexikon 1988-1992.
[2] Beiträge zur Köppenforschung, Band 4, S. 50
Dank der Möglchkeit, in dieser Website so gut stöbern zu können, habe ich u.a. gerade die Kommentare von Jordi zu Köppen gerade gelesen, von dem ich nach der damaligen Veranstaltung zu Köppen in WH zwei verschiedene Ausgaben des Heeresberichtes preiswert antiquarisch gekauft habe (Erschienen Ende des letzten Jahrtausends, also war K. nicht ganz vergessen). Und darauf habe mir eben die Zeit genommen, den Vortrag von Dr. Ziehr ganz zu lesen und herunterzuladen. Kann es nur empfehlen, gerade jetzt vor dem Hintergrund, dass die heutigen Medien diesen schrecklichen aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine jedem hautnah ins Wohnzimmer liefern und die Botschaften der damaligen Zeitzeugen im WK I so aktuell macht.
PS Wikipedia als Quelle ist für mich deswegen seriös, weil sie die Möglichkeit zur Selbstkorrektur im Konzept hat.
Wer ist denn der Autor dieses unautorisierten Beitrags?
Und was der Anlass, dass sich die geistige Elite unseres Ortes mit diesem dringlichen Problem einer „Richtigstellung“ befassen muss?
Damit wird eine wenig substanzielle Kampagne gegen den Status des bisher als Nazigegner bekannten Dichters Edlef Köppen anrüchigerweise weitergeführt.
Wenn es Köppen, wie angedeutet, problemlos möglich war, den Heeresbericht sowie weitere Bücher in der bewußten Zeit zu veröffentlichen, liegt doch der (gewollte?) Schluß nahe, dass Köppen von der Nazi-Diktatur nicht so schlimm betroffen war, also vielleicht sogar Nutznießer oder Sympathisant der Nazis war?
Was soll und wem nützt dieser Vorstoss zur Relativierung von Köppens Einstellung zum bzw. Betroffenheit durch das Naziregime? Hier gibt es Beifall von der Rechten Seite. Ein Bravo an die „reine Wissenschaft“!
Im Übrigen ist die 2. Auflage von „Heeresbericht“ im List-Verlag allen anderen Angaben zufolge nicht 1934, sondern bereits 1932 erschienen (siehe [http://www.verbrannte-buecher.de/?page_id=803]; ebenso sagt es auch Ziehr selbst in seinem Vortrag aus 2013: [https://wilhelm-ziehr.de/wp-content/uploads/Weltkrieg-3.-Vortrag.pdf]).
Hilfreich wäre es, dem Inhalt des oben referenzierten Eintrags (Beiträge zur Köppenforschung, Band 4, S. 50) hier online zu stellen, weil das sonst schwer ereichbar ist und nicht klar wird, mit welchen Argumenten eine tatsächliche Verbrennung des Buches dort ausgeschlossen wird. Auf der „Schwarzen Liste“ von Wolfgang Herrmann, die bei vielen Bücherverbrennungen benutzt wurde, stand das Buch offenbar sehr wohl, kann also ohne Weiteres tatsächlich irgendwo verbrannt worden sein, wenn auch vielleicht nicht in Berlin. Vermutlich beruht auch die Angabe in Kindlers Literaturlexikon auf dieser Tatsache. Also wirklich überzeugend ist Ziehrs Einwurf beim näheren Hinsehen nicht.
Die Mär stammt, wie Ziehr ja ausdrücklich vermerkt, aus Kindlers Literaturlexikon. Dass das von dort auch in journalistische Texte und Webseiten übernommen wird, ist weder erstaunlich noch irgendwie unseriös. Solche Fehler passieren halt in der Literaturgeschichtsschreibung, da sind auch seriöse Forscher nicht vor gefeit. Umso besser, dass man das jetzt richtig stellt.
Wikipedia hat dankenswerterweise den Eintrag zu „Edlef Köppen“ bereits korrigiert.
Köppens „Heeresbericht“ stand nicht erst 1938, sondern bereits in der 1. Ausgabe der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ von 1935 auf dem Index (zusammen mit 3 weiteren Köppen-Schriften). Im Übrigen stammt die Mär, dass der „Heeresbericht“ im Mai 1933 „verbrannt“ worden sei, von schnellschreibenden Journalisten und nur bedingt verlässlichen Internet-Portalen, wozu auch Wikipedia gehört. Seriöse Köppen-Forscher formulieren anders.