Beim Bau zur Ortsumgehung Michendorf stießen Archäologen auf Spuren eines Kriegsgefangenenlagers Michendorf – Die ersten Erdbewegungen im Verlauf der neuen B2-Ortsumgehung Michendorf förderten Bodenfunde zutage, deren Alter in die Zeit des 2. Weltkrieges fällt. Die Bauarbeiten machen damit einen unangenehmen Teil der Geschichte sichtbar: Müllreste, die nach Vermutungen des Archäologischen Landesmuseums aus Entsorgungen eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers stammen.
Matthias Antkowiak und Dr. Sabine Eickhoff vom Landesmuseum bestätigten den Verdacht, dass alte Flaschen und Gläser wohl mit dem Lager zu tun haben. Gefunden wurden auch die alten Entwässerungsgräben und eine Fundamentplatte des Lagers. Dessen Existenz ist in der Region „vergessen“ worden. Umsiedler hatten, wie alte Wilhelmshorster wissen, die Baracken abgerissen und das Baumaterial für neue Unterkünfte im Ort verwendet. Bis in die 90er Jahre hinein befand sich ein solcher Umsiedlerbau noch in der Straße am Waldrand. Das Kriegsgefangenenlager hatte seinen Standort, wie Luftaufnahmen der Amerikaner von 1944 aus dem Landeshauptachiv belegen, zwischen Wilhelmshorst und Willichslust, dem östlichsten Zipfel von Michendorf: Vier Bauten, die in den Wald gestellt wurden. Kurz, nachdem die Funde bekannt wurden, meldete sich eine Zeitzeugin aus Potsdam, damals Jugendliche, im Ort. Damit kann die Nutzung des Lagers wohl auf Fremdarbeiter eingegrenzt werden: Ein Russe, der dort mit seiner Frau und vier Kindern lebte, durfte am Sonntag bei Wilhelmshorster Familien privat arbeiten. Zudem berichtete sie, dass in dem Lager schwere Maschinen standen. Die noch sichtbaren Reste einer großen Fundamentplatte könnte damit zu tun gehabt haben. Was produziert wurde, liegt unterdessen noch im Dunkeln. Dass in der märkischen Streusandbüchse bei größeren Erdbewegungen oft Historisches zutage tritt, ist kaum verwunderlich. Zwischen westlichen und östlichen Kulturen gelegen, spielten sich hier zu allen Zeiten zwischen Wellen unterschiedlicher Besiedlungen auch kriegerische Auseinandersetzungen ab, wie die Archäologen wissen. An die östliche Kultur erinnert die frühere Besiedlung des heutigen Wilhelmshorster Gebietes durch das einstige Dorf Schönenberg, im Landbuch Karl des Großen 1375 erwähnt und mit anderen Orten der Umgebung seit dem 30-jährigen Krieg „wüst gelegen“. Die kriegerischen Auseinandersetzungen reichen bis in unsere unmittelbare Vergangenheit: Bei der Verteidigung Berlins zum Ende des 2. Weltkriegs fand eine der letzten Schlachten auf Wihelmshorster beziehungsweise Michendorfer Boden statt. Vor den heranrückenden Sowjet-Truppen wurde die gut befahrbare Fernstraße, früher Reichsstraße 2, durch Panzersperren blockiert. Die Praxis der Umfahrung solcher Barrikaden durch Panzer sollte durch Verteidigungslinien im Gelände erschwert werden. Dazu wurden parallel zur Straße weit in die Wälder reichende Sperren und Schützengräben angelegt, die vor Michendorf noch heute in den Wäldern zu sehen sind. Wilhelmshorster kennen eine nahe gelegene Grabenlandschaft, in der schon früher Munition und Waffen gefunden wurden. Illegale Schatzgräber haben hier auch in den vergangenen Wochen ihr Unwesen getrieben: Achtlos weggeworfenen Grabungsgeräte in einer Senke und eine aufgebrochene, aus der Tiefe geborgenen Geldkassette lassen auf lohnende Beute schließen.
PNN