In den frühen 1930er Jahren waren Autos – zumal auf dem Dorf – ein seltener Anblick. Willi Schulze aus Wilhelmshorst hatte eins und wusste es gut zu vermarkten. Vor knapp 70 Jahren schaltete er eine Annonce in der Zeitung und gab „den Einwohnern von Wilhelmshorst zur Kenntnis, daß ich von jetzt ab wieder mit meinem Personenwagen Tag und Nacht zur Verfügung stehe.“ Bestellungen rechtzeitig erbeten, hieß es in der Reklame.
Willi Schulze war eigentlich Dachdecker von Beruf. Sein Privatauto aber konnte man damals wie für eine Taxifahrt mieten, sagt Rainer Paetau, Vorsitzender des Vereins der „Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Ortsgeschichte“. Zusammen mit Vereins-Mitstreiter Wolfgang Linke hat er eine Ausstellung über historische Werbeanzeigen und Reklameplakate organisiert, die am Sonntag, 16 Uhr, im Wilhelmshorster Gemeindezentrum eröffnet wird.
Für Paetau ist die Reklame früherer Epochen nicht nur unter künstlerischen Gesichtspunkten interessant, sie ist auch eine „Quelle“ alltäglicher Geschichte: „Sie gibt Auskunft über vergangenes Gewerbe, über Handwerk und Handel in Wilhelmshorst seit gut 100 Jahren“, sagt Paetau und fragt: „Wer vermag noch zu sagen, welche Geschäfte es hier gab – in der Gründungszeit von Wilhelmshorst oder vor 50 Jahren? Wer kennt noch die Namen der Gewerbetreibenden aus dem letzten Jahrhundert. Wie lange haben ihre Geschäfte existiert und wie haben sie die Brüche der deutschen Zeitgeschichte überstanden?“ Fragen, die die Ausstellungsmacher anhand der Exponate zu beantworten versuchen. Rainer Paetau sieht darin „einen interessanten Weg, sich der Ortsgeschichte aus einer anderen Richtung zu nähern“. Zu sehen sind in der Schau originale Werbeanzeigen und Reklameplakate – zum Beispiel von der früheren Gaststätte „Hammer“, die zu DDR-Zeiten zu einer HO-Gaststätte wurde. An dem Gasthaus in der Peter-Huchel-Chaussee/Ecke An der Aue prangt das HO-Schild als Überbleibsel der Geschichte heute noch. Die Exponate zeugen auch von einem beachtlichen Reichtum an Handel und Gewerbe in dem kleinen Ort. Früher machten in Wilhelmshorst Schneider, Schuhmacher, Bäcker, Fleischer, die Sparkasse „Zauch-Belzig“, Bücher- und Zeitschriftenläden für sich Werbung. Es gab das Café Weber am Bahnhof und die Gaststätte Schneider, die heute „Forelle“ heißt. Den Fleischerladen Alfred Spehr gibt es sogar heute noch. Schon seit 1929 führt Familie Spehr im gut 100 Jahre alten Wilhelmshorst ihre Geschäfte.
Die Ausstellung im Wilhelmshorster Gemeindezentrum, Albert-Schweitzer-Straße 9-11, wird morgen, 16 Uhr, eröffnet. Zu sehen ist sie zudem am 21. und 28. November, 14 bis 18 Uhr, und am 4. und 5. Dezember, 15 bis 18.30 Uhr. (jst)
Quelle: Märkische Allgemeine
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