Otto Haesler wäre gestern 125 Jahre alt geworden – seine Frau Erna kam in Wilhelmshorst zur Feierstunde
Von Magda Gressmann
Wilhelmshorst hat einiges an Prominenz aufzuweisen. Namen wie Peter Huchel, Erich Arendt, Hermann Henselmann – und Otto Haesler. Deutschlands berühmter Bauhaus-Architekt wäre gestern 125 Jahre alt geworden, und die Gemeinde Michendorf hätte ihren prominenten Bewohner fast vergessen.
Wenn es nicht den Anruf von der Otto-Haesler-Stiftung in Celle gegeben hätte. Celles Beigeordneter Wulf Haack ist Geschäftsführer der Stiftung, mit Bürgermeisterin Cornelia Jung, Ortsbürgermeister Gerd Sommerlatte und Vertretern der AG Ortsgeschichte Wilhelmshorst würdigte er gestern das Leben des Architekten. Haesler verbrachte seit 1953 seinen letzen Lebensjahre in der Waldgemeinde. Mit seiner Frau beschließt er, sich hier ein Siedlungshaus zu bauen, nach seinen Plänen. Das Schicksal bestimmt es anders: Haesler fällt in die eigene Baugrube, wird krank, stirbt am 2. April 1962 und wird in Wilhelmshorst beerdigt. In Celle hat der Architekt zwischen 1904 und 1934 indes viele Spuren hinterlassen. Haesler hat hier quasi den typisierten sozialen Wohnungsbau „erfunden“. Er wurde selbst nicht mit dem „goldenen Löffel im Munde“ geboren. Sein Vater war Malermeister, Sohn Otto lernte an der Baugewerkschule in Augsburg. Vom Maurer arbeitete er sich zum Architekten hoch, heiratete eine Brauereitochter und gründete eine Familie. Nach Ende des 1.Weltkrieges, mit bereits 38 Jahren, begann Haesler seine planerische Arbeit für Kleinwohnungshäuser in Celle. Haesler wollte menschenwürdiges Wohnen und setzte auf eine Architektur, die sich der Zweckmäßigkeit des Bauhaus“ verpflichtet fühlte. Rationelle Baukonstruktionen, die von sozialem, gesunden Wohnen geprägt waren, machten ihn bekannt.1932 wird er im Katalog zur Großausstellung moderner Architektur im New Yorker „Museum of Modern Art“ als der bedeutendste Siedlungsarchitekt in Deutschland benannt. 1933 ging seine Firma in Celle in Konkurs. Ins Tal des Vergessens, wie es Wulf Haack gestern in der Feierstunde darstellte, fiel er danach allerdings nicht: Er widmet sich bis 1942 dem Um- und Neubau von Wohnhäusern, ist bis Kriegsenden Vize-Stadtbaurat von Lodz und Lemberg. Sein zweites Leben beginnt mit Wiederaufbau der zu 90 Prozent zerstörten Rathenower Altstadt nach Kriegsende. Er wird in der DDR zum Professor für sozialen Wohnungsbau berufen, leitet die Hochschule für Baukunst Weimar, bevor er sich in Wilhelmshorst zur Ruhe setzt. Hier tritt Erna Heer in sein Leben. Weil sie seinen Haushalt bestellt, beschließt er, ihr die Ehe anzutragen. Rainer Paetau, Dieter Kraus und Anna Katritzke von der Wilhelmshorster Ortschronik-AG haben diese und andere Geschichten aufgehoben und gesammelt. Manches erzählt ihnen auch Erna Haesler selbst, die seit dem Tod ihres Mannes in einem kleinen Null-acht-fünfzehn-Häuschen lebt und zu Jubiläen gelegentlich hohen Besuch bekommt. In Celles Haesler-Museum, wird es diese Woche einen Festakt geben, um Otto Haesler als streitbaren und genialen Baukünstler zu ehren. Die Vorbereitungen brachten auch die Wilhelmshorster auf Touren, die die Haesler-Grabstätte herausputzten und künftig enger mit der Stiftung in Celle zusammenarbeiten wollen. Die Überraschung des Tages war gestern allerdings die betagte Erna Haesler. Sie kam gut zu Fuß zur Feier. Sichtlich gerührt und erfreut hörte sie den Rednern zu und nahm Zeitungsartikel und Prospekte entgegen, die sich dem hohen Jubiläum ihres Mannes widmen. Auf die Frage, ob sie noch wisse, wie Haesler ihr, der damaligen Haushälterin, die aus Bessarabien, dem heutigen Moldawien, nach Deutschland kam, den Antrag gemacht habe, antwortet sie verschmitzt: „Na klar. Der hat jesagt, Mauselchen, du kochst so jut, da kann ich dich ja auch gleich heiraten. Das hatta denn jemacht.“
PNN