Ausstellung der Wilhelmshorster Ortschronisten zum Mauerjubiläum mit Kunst und Dokumenten

Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls werden draußen im Lande überall Ausstellungen organisiert, eine nicht wie die andere. Jener im Bürgerhaus Wilhelmshorst ist wahrscheinlich kein sehr langes Leben beschieden, obwohl sie mit so viel Liebe wie Engagement vorbereitet wurde, natürlich im Ehrenamt.

Der „Verein der Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Orts-Chronik“ hat sie unter das Motto „Wir sind das Volk“ gestellt. „Wir möchten ohne jede Parteilichkeit einfach nur zeigen, wie das damals war“, sagte Wolfgang Linke. Woher sollten es die Nachgeborenen sonst wissen?

Vor dem Eingang hatte der bewährte „Streckmetall-Skulpturist“ Michael Soika Arbeiten dieses Materials aufgestellt, ein Stück dieses Zauns mit dem Veranstaltungsplakat zwischen zwei originalen Betonpfosten aus dem Grenzgebiet. Eigentum des Vereins, steht auf einem Zettel. Desweiteren diesen unlängst am Babelsberger Schloss gezeigten Hochstuhl gleicher Materie, einen echten Mauer-Specht und einen Mauerhund, rostig und alt wie ein Auto-Auspuff.

Im Flur versperren Blöcke mit der Aufschrift „Wir sind das Volk“ den Weg zu den Räumen, jemand hat da eine Mauer zum Eingedenksein aufgerichtet. In zwei Räumen dann geballte Orts- und Weltgeschichte auf Schautafeln und in Fotos über die Mauerzeit in Wilhelmshorst und nebenan, wo im rechtmäßig von Potsdam gekrallten „SaGo“-Gelände, dem „Wohnlager“, zuerst die Erbauer des Berliner Eisenbahn-Südrings wohnten, 1968 dann Staffeln ihre Grenzhunde scharf machten, bevor das Territorium zur Aufbewahrung von Asylbewerbern diente. Der Ort ist, von der B 2 aus, heute noch mit dem gleichen Streckmetall geschützt, wie man ihn für die Grenze brauchte: Wer dort seine Finger reinsteckte, zerriss sich das Fleisch!

Es waren gute und spannende Geschichten, die man am Samstag aufnehmen konnte. Das ist alles gut und schön, aber auch schade, das Haus am Iris-See ist ja gar nicht öffentlich genug, um möglichst viele Anwohner und Gäste heranzuziehen, höchstens am Mittwoch, wenn die Awo kommt. Insofern war das samstägliche Ereignis leider nur ephemer.

Zeitzeugen, Filmdokumente und Lesungen, sogar drei Kreidezeichnungen des Physikers Horst Halling wollten nur erinnern. Auch an das, was Novalis „eine Idee“ nannte: „Das Volk“! Heute nach Ihm zu suchen, kann ja nicht ganz verkehrt sein. Auch in Wilhelmshorst unter Kiefern, wo eine Schulklasse ihre Klassenfahrt-Fotos von der zerfallenden Stadt Halle nicht zeigen durfte, wo man Mai 90 noch am Runden Tisch debattierte, ob SPD zu wählen sei. Ganz rührend die letzten Abc-Schützen Ost, deren Gesichter von den Launen und Härten des Umschwungs noch nichts ahnten. Nicht zuletzt ist jener legendäre grüne Trabi verewigt, den ein Westflüchter zurückließ, der Kindergarten nutzte ihn noch einige Zeit.

Weil die Arbeitsgruppe Ortsgeschichte im waldigen Wilhelmshorst offenbar trotz eifriger Suche so viele Zeitzeugnisse auch nicht fand, führt diese eher stille Ausstellung fotografisch weiter, an die Grenze in Babelsberg und zur Glienicker Brücke, wo man nicht nur fröhliche DDR-Bürger stehen sah. Vielleicht waren sie nun das Volk, trotz der salbungsvollen Rede von Horst Köhler?

Ach, könnten sich Veranstalter und Gemeinde doch an einen Runden Tisch setzen, um diese Ausstellung mehr publik und weniger flüchtig zu machen. Ist nur so eine Idee …

Von Gerold Paul

Quelle: PNN