Am Vormittag des 3. Mai, einem Sonntag, wie er schöner nicht sein konnte, trafen sich Erika Haenel mit Mitgliedern des Ortsvereins im Gemeindezentrum von Wilhelmshorst zu einem Rundgang durch den südlichen Teil des Ortes. Es war der Gegenbesuch zu dem des Ortsvereins von Wilhelmshorst im Frühjahr letzten Jahres.
Nach einer herzlichen Begrüßung durch Dr. Rainer Paetau und Wolfgang Linke, die beiden Vorsitzenden des „Vereins der Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Ortsgeschichte“, und einer kurzen Einführung in die Entstehungsgeschichte der Landhauskolonie sahen wir uns die Fotoausstellung „Historische Zäune und Gartentore“ an. Sie stimmte uns auf den Rundgang durch Wilhelmshorst- Süd ein.
Der Beginn der Ortsgründung geht auf den Anfang des letzten Jahrhunderts zurück. Viele Bürger der explodierenden Metropole suchten nach Plätzen im Grünen. So entstanden seit 1900 rund um Berlin zahlreiche Landhaus- und Gartenkolonien. Zu dieser Zeit kaufte die Wilhelmshorster Grundstücksgesellschaft von Bauern aus Neu-Langerwisch das Gebiet rund um den Irissee und ließ es von dem Berliner Architekten Prof. Albert Gessner (1868-1953) beplanen und bebauen. Mit der verkehrsgünstigen Lage an der Wetzlarer Bahn sollte Wilhelmshorst genauso wie Rehbrücke für viele Berliner – genauer Charlottenburger – rasch attraktiv werden. Interessant war aber nicht nur die Nähe zu Berlin, sondern die Lage in einem von Hügeln umgebenem Waldgebiet, das von eiszeitlichen Schmelzwasserrinnen durchzogen wird. Eingebettet darin liegt der Irissee.
Ab 1910/11 beplante Gessner Wilhelmshorst-Süd. Er war Architekt, Landschaftsplaner und Gartenkünstler in einem. Er wollte eine „Architektur aus einem Guss“, deshalb ließ er einige Häuser als Kern der Siedlung auch auf eigene Rechnung bauen. Rund um den Irissee schuf er ein Ensemble von aufeinander Bezug nehmenden Landhäusern, deren Gärten sich mit den natürlichen Gegebenheiten bestens verbinden. Am Beispiel der Landhäuser „Teichhaus“, „Reinettenhof“, „Morellenhof“ und dem Haus „Zu den zwei Herzen“ konnten wir die Ideen von Gessner nachempfinden.
Und auch die in der Ausstellung gezeigten Zäune und Gartentore, die in jüngster Zeit teilweise und dem historischen Original entsprechend restauriert wurden. Auf dem Weg durch den Irisgrund und An den Lauben erfuhren wir noch vieles über die Geschichte einzelner Häuser, aber auch über die Pläne und Baugeschichte von Wilhelmshorst- Süd insgesamt. Die Bautätigkeit fand mit dem 1. Weltkrieg ein jähes Ende. Nach 1918 setzte infolge von Inflation und Weltwirtschaftskrise eine maßvolle Bautätigkeit ein. Viele Berliner wollten den politisch wie wirtschaftlich unsicheren Bedingungen der frühen Weimarer Zeit (galoppierende Geldentwertung, Bürgerkrieg,
Putschversuche u.a.) der Hauptstadt entfliehen. Vor allem ehemalige kaiserliche Verwaltungsbeamte und Offiziere, die vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurden, zog Wilhelmshorst an. So auch den einstigen Besitzer des heutigen Gemeindezentrums von Wilhelmshorst, den in den Ruhestand versetzten kaiserlichen Polizeipräsidenten von Neukölln, Adolf Becherer.
In der NS-Zeit waren die Bewohner von Wilhelmshorst überwiegend Anhänger der Hitler-Diktatur. Viele hofften auch, dass durch Hitler die Monarchie wiederbelebt werden könnte. Ein noch nicht aufgearbeitetes dunkles Thema der NS-Zeit ist das der Zwangsarbeiter. Als letztes Zeugnis des Barackenlagers in der Nähe des Bahnhofs blieb eine Trafostation, die als Mahnmal erhalten werden sollte.
Unser Spaziergang endete dann auch am Bahnhof Wilhelmshorst, der selbst eine interessante Geschichte aufweist. Da die Deutsche Reichsbahn es ablehnte, an Stelle des Haltepunktes einen Bahnhof zu bauen, wurde der Bahnhof von den Grundstücksbesitzern selbst finanziert. Entworfen wurde der Bahnhof ebenfalls von Albert Gessner, kam aber nur in verkleinerter Form zur Ausführung. Heute ist das Gebäude stillgelegt und droht, wie viele andere leerstehende Bauten, dem Vandalismus anheim zu fallen.
Viel Interessantes gäbe es noch aus Wilhelmshorst zu berichten. Als wir in der „Forelle“ gemeinsam ein Mittagessen einnahmen, wurde beschlossen, noch mehr Treffen zur gegenseitigen Bereicherung der Ortskenntnisse zu veranstalten. So ist an eine Exkursion nach Wilhelmshorst-Nord ebenso gedacht wie die Wilhelmshorster Ortshistoriker erneut nach Rehbrücke kommen wollen. Sogar über gemeinsame Ausstellungsprojekte ist gesprochen worden. Derartige kulturelle Kooperationen können für alle Seiten nur von Vorteil sein.
Käthe Liebers
Quelle: Märkischer Bogen