Vom Kriegsende bis zur Gegenwart

In der Schlussphase des Krieges kam es zu schwersten Zerstörungen der Bahnanlagen, teils durch Bombenangriffe, teils durch zurückgehende deutsche Truppen. Das Ende der Wetzlarer Bahn schien gekommen. Die Explosion abgestellter Munitionszüge führte im Juni 1945 zur fast völligen Zerstörung des Verschiebebahnhofs Seddin. Im Sommer des gleichen Jahres musste als Reparationsleistung für die Sowjetunion das zweite Gleis von der Berliner Stadtbahn bis nach Blankenheim abgebaut werden. Das Teilstück zwischen Charlottenburg und Kohlhasenbrück wurde auf russische Breitspur umgenagelt, um Stalin, der bekanntlich Angst vor dem Fliegen hatte, die Fahrt in seinem Sonderzug zur Potsdamer Konferenz der Siegermächte zu ermöglichen.

Nach der provisorischen Wiederherstellung der Teltowkanalbrücke konnte bereits ab Juni 1945 der Fahrbetrieb zwischen Wannsee und Belzig wieder aufgenommen werden. In den ersten Jahren nach der Demontage des zweiten Gleises waren Zugkreuzungen nur an wenigen Punkten wie Drewitz und dem Verschiebebahnhof Seddin möglich. Zwischen Michendorf und Seddin konnte das Gleis der ebenfalls nur eingleisigen Umgehungsbahn mitgenutzt werden.

Blick vom Bahnhof Wilhelmshorst, Ansichtskarte aus dem Jahr 1955, Sammlung Autor

Durch die Aufteilung Berlins in vier Sektoren lag ein Teil der Wetzlarer Bahn im amerikanischen bzw. britischen Sektor Berlins. Die politischen Differenzen zwischen den Besatzungsmächten und später zwischen der DDR und Westberlin führten zu Bestrebungen der DDR das Eisenbahnnetz so auszubauen, dass auf die Bahnanlagen im Westen Berlin verzichtet werden kann. Eine unmittelbare Folge der Wiederinbetriebnahme des Verschiebebahnhofs Seddin 1952 war die Schließung des Verschiebebahnhofs Grunewald im amerikanischen Sektor. Vom gleichen Jahr an durften Bürger Westberlins und des Bundesgebietes nicht mehr die Vorortzüge Belzig – Wannsee benutzen.

Berliner Außenring

Um endgültig vom Westberliner Eisenbahnnetz unabhängig zu sein, wurde der Bau des schon seit 1909 geplanten Berliner Außenrings vorangetrieben. Das schwierigste und letzte Stück der 180 Kilometer langen Trasse waren die 15 Kilometer zwischen Saarmund und Golm (Sago). Um das hügelige Gelände des Potsdamer Staatsforsts und des Wildparks zu überwinden, mussten 15 Brücken errichtet, im Golmer Luch eine Moorwiese durchquert und über den Templiner See ein Damm von 1,2 Kilometern Länge errichtet werden. Sogar im strengen Winter 1955/1956 mit bis zu –25°C Frost arbeiteten die Bauarbeiter in drei Schichten rund um die Uhr. Der frisch geschüttete Damm führte zu Problemen, so dass anfangs für Züge eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h vorgeschrieben war und trotz des zweigleisigen Ausbaus der Damm nur eingleisig befahren werden konnte. Zur Komplettierung des Außenrings und als Verbindung zur Wetzlarer Bahn erfolgte 1957 die Fertigstellung der Verbindungskurve von Wilhelmshorst zum Nesselgrund.

Mit der Begründung, dass die Strecke elektrifiziert werden müsse, durfte man ab 1952 nur noch bis zum Bahnhof Drewitz (heute Medienstadt Babelsberg) fahren. In Wahrheit war es ein politischer Grund. Ein Grenzkontrollpunkt konnte eingespart und die Trennung von Ost und West vorbereitet werden. Um nach Berlin zu gelangen, hatte man die „Wahl“ vom Bahnhof Drewitz zum Bahnhof Griebnitzsee zu laufen oder von Potsdam – Rehbrücke mit der Straßenbahn zum Potsdamer Stadtbahnhof und von dort weiter nach Berlin zu fahren.

Die Abriegelung

In der Nacht zum 13.August 1961 erfolgte die Abriegelung der Grenze zu Westberlin. Der Betrieb auf der sogenannten Friedhofsbahn zwischen Stahnsdorf und Kleinmachnow wurde sofort eingestellt. Die Kontrollen für Interzonenzüge fanden nicht mehr in Drewitz, sondern am Bahnhof Griebnitzsee statt. Diese Züge fuhren somit nicht mehr über Michendorf. Die Vorortzüge endeten statt in Wannsee, in Drewitz. Reisende nach Ostberlin mussten in Bergholz umsteigen. Es folgte eine Verdichtung des Zugverkehrs auf dem Berliner Ring zwischen Ostberlin und der Wetzlarer Bahn. Die Strecke Wannsee – Griebnitzsee diente seit 1962 nur noch dem Reiseverkehr zwischen Westberlin und dem Bundesgebiet sowie dem gesamten Militärverkehr der Westalliierten von und nach Berlin. Dagegen lief fast der gesamte Güterverkehr mit Westberlin über die Strecke Wannsee – Drewitz.

In der Zeit der DDR wurde die Wetzlarer Bahn wieder zweigleisig ausgebaut, die Leistungsfähigkeit des Verschiebebahnhofs Seddin erhöht und auch die noch fehlenden zweiten Gleise abschnittsweise wieder hergestellt. Im Gegensatz zum östlichen Teil war der Westberliner Teil in einem vernachlässigten Zustand.
Die Elektrifizierung des Berliner Außenrings in Richtung Michendorf erfolgte 1982 und in Richtung Wannsee 1993.

Triebwagen

Triebwagen vom Typ BR 646 aus Richtung Wannsee bei der Einfahrt in den Bahnhof Wilhelmshorst 2004, Foto: Autor

Gegenwart und Zukunft

Zum Fahrplanwechsel im Mai 1993 war es endlich soweit: die Regionalbahn von Beelitz– Heilstätten über Drewitz fuhr wieder bis Wannsee – das Zentrum Berlins war wieder ohne Umwege erreichbar! Nach Jahrzehnten der Trennung konnte die alte und wieder neue deutsche Hauptstadt auf dem direkten (Eisenbahn-)weg erreicht werden.

Im November 2004 werden die noch analog betriebenen Stellwerke in Borkheide, Seddin, Michendorf, Beelitz- Heilstätten und Wilhelmshorst außer Betrieb genommen und durch ein hochmodernes neu erbautes digitales Stellwerk in Michendorf ersetzt.

Nach neuesten Plänen will die Bahn die Regionalbahnlinie 33 attraktiver gestalten und sie künftig über Wannsee hinaus bis zur Stadtbahn führen. Dies könnte nach Inbetriebnahme des Berliner Nord-Süd-Tunnels im Jahre 2006 erfolgen.

Volker Tanner (AG Ortsgeschichte Wilhelmshorst)

(Über Ergänzungen, Erinnerungen, Fotos und anderes ergänzendes Material zur Eisenbahngeschichte, insbesondere Wilhelmshorsts, aber auch zur weiteren Geschichte der Bahn in unserer Region, wäre ich dankbar und bitte um Mitteilung unter Tel. 0160/584 789 7 oder E-Mail

Quellen: Peter Bley, 100 Jahre Wetzlarer Bahn, in Berliner Verkehrsblätter 26 (1979) Nr. 3-4;
Krebs, Jürgen – Kanonenbahn Berlin – Sangerhausen, Herdam-Fotoverlag (1994), Lok-Magazin, Wilhelmshorster Bote u.v.a.